REPORTAGE In Carloforte sind nicht nur die Häuser strahlend bunt, auch das Essen scheint farbiger zu sein. 18 die Stadtpalette. Platanen spannen ein grünes Dach über die Flaniermeilen, besonders eindrücklich an der Ufer- straße, dem Corso Battellierie, aber auch an allen größeren Plätzen. Sie spenden Bummelnden wie Rastenden Schatten. Ältere Stämme tragen hübsch gestaltete Holzbänke wie Bananenröckchen. Sie sind ein Treffpunkt für Jung und Alt. Männer plauschen mit Glimmstängel in der einen und einem Glas Vermentino oder Sambuca in der anderen Hand. Omas treffen sich bepackt mit Ein- kaufstüten, etwa mittwochs kurz nach dem Besuch des Wochenmarkts. Früh morgens holen sie sich sogar ihren Oktopus direkt von Bord der Fischer, die mit ihren Minibooten kurz zuvor in den kleinen Hafen bei den Salinen einlaufen. Genau dort haben wir uns in einer kleinen Fe- rienwohnung eingemietet. Vom Balkon aus können wir Markttreiben wie Fischer zum ersten Morgen- käffchen beobachten. Auch Jogger und Spazierende mit Hund, die die 4,8 Kilometer lange Schleife um die Saline als Terrain für Frühsport und Gas- si-Gang nutzen. Reiher und Flamingos stolzieren durch deren seichtes Wasser. Sie picken sich ihr Frühstück, während wir beschließen, eine der hübschen Bars aufzusuchen, um zum zweiten Café in ein mit Vanillepudding oder Pista- ziencreme gefülltes Brioche zu beißen. Wir versorgen uns mit Focaccia, Obst und Wasser und machen uns zu einem der zahl- reichen Strände San Pietros auf. Mal mit dem Auto, mal mit dem Leihrad durch die typische Mit- telmeervegetation mit Zistrosen, Erdbeerbaum oder Steineiche, wie man sie östlich häufig findet, mal mit Oliven, Feigen oder Opuntien im landwirt- schaftlich genutzten Süden. Die Wege sind kurz auf der zehn Kilometer langen und acht Kilometer breiten Insel. Auch die höchste Erhebung des Eilands, den Bricco Guardia die Mori, scheuen ge- übte Radfahrer nicht. Bei 211 M.ü.NHN ESSEN WIE GEMALT FERNAB VOM MAS- SENTOURISMUS eine verständliche Reaktion. Gegenwind oder Hitze tun das schon eher. Und selbst dann ist es eine Frage des richtigen Timings und des motivierenden Ziels. Ein solches sind die an die Salinen an- grenzenden sieben Strände San Pietros: die Spaggia Giunco, Punta Nera, Le Colonne, La Bobba, Lugaise, Mezzaluna und La Caletta. Jeden Tag besuchen wir einen anderen. Einmal liegen wir auf Steinplatten, das andere Mal in feins- tem weißen Sand. Einmal hüpfen wir wie Wellenbrecher in die Gischt, das andere Mal waten wir hunderte Meter lang in türkis- farbenem Meer Richtung Sonnen- untergang. Es ist warm, hat die heißen Sommermonate gespeichert. Doch jetzt im Herbst nutzen das nur wenige. Ab- gesehen von ein paar Insulanern, die ihre Mittagspause sonnenbadend verbringen, sind wir allein. Zwischendurch gönnen wir uns ein Eis, auch mal ein kühles Bier an einer der hübschen Strandbars, kommen einen Pausenmoment lang mit Einheimischen wie Gästen ins Plaudern. Doch das ist eher selten. Irgendwie scheint hier jeder Ruhe zu suchen. Viele suchen Zweisamkeit. Wir ebenfalls. Dazu zählt auch, der Sonne an beson- deren Plätzen beim Sinken zuzusehen. Etwa am Capo Sandalo, dem Leucht- turm an der Westspitze der kleinen Insel oder an den steil abfallenden Felsküsten im Norden, in die das Meer über Jahr- millionen Grotten gefräst hat. Wilde Katzen stromern über die Insel, überall sind sie zu finden. Glückskatzen in seltenen Farbkombinationen, die von vielfältiger Abstammung zeugen. Hunger meldet sich. Nach Sonnenuntergang kein Einzelschicksal, stellen wir auf der Flaniermeile fest. Wir gönnen uns einen Aperol Spritz zu kleinen Pizzastücken und Oliven, Vorfreude für unsere Gau- menknospen. Segler setzen sich an Tische nebenan. Auch sie freuen sich über Am- biente und zivile Preise in Anonymität. Vor allem Letztere sei häufig der Grund, weshalb selbst Filmstars wie Tom Cruise oder Johnny Depp statt an der Costa Smeralda Sardiniens vor der Küste San Pietros ankern. Für Cruise soll es einmal sogar eine „Mission Impossible“ gewesen sein, einen Platz in der ausgebuchten